Meine Gastautorin Manuela Komorek, systemischer Paartherapeutin und zweifache Online-Kongress Veranstalterin zeigt auf, wie Beziehungen verändert und Beziehungsdynamiken geheilt werden können

Spielt es überhaupt noch eine Rolle, dass Frauen in unserer Gesellschaft so lange unterdrückt wurden? Spielt es überhaupt noch eine Rolle, dass unsere Großväter und Väter im Krieg zu Tätern und Opfern wurden? Hat das alles noch Auswirkungen auf unsere heutigen Beziehungen zwischen Mann und Frau? Oder ist die Vergangenheit vorbei und vergessen?

Auf jeden Fall zeigt sich in der Paarberatung immer wieder eine tiefsitzende Angst, sich dem anderen wirklich zu zeigen. Da ist noch viel Wut, Schuld, Scham und Ohnmacht zwischen Mann und Frau, die wir in uns tragen. Nicht immer können wir diese Gefühle einem konkreten Ereignis zuordnen. 

In Aufstellungen zeigt sich immer wieder der Einfluss, den frühere Generationen auf uns haben. In den früheren Generationen gab es Krieg, Vergewaltigung und Unterdrückung. Irgendwie stecken diese Erfahrungen immer noch im System. Heute haben wir einen Grad an Freiheit erlangt, der uns viel Eigenverantwortung abverlangt aber eben auch Freiheit schenkt. Damit wir diese Freiheit auch ausleben und weiter geben können, lohnt sich ein Blick auf die früheren Verletzungen zwischen Mann und Frau.

Königin und Samurai

Veit Lindau erzählt in einem Vortrag „Königin und Samurai“ von den Rollen der Männer und Frauen in unserer modernen Welt. Er behauptet, dass die Männer ihren Auftrag verloren haben. Sie sind immer noch stark und wollen sich durchsetzen. Aber sie wissen nicht wofür sie kämpfen, wem sie dienen mit ihrer Stärke und wie dienen überhaupt geht. 

Die Frauen hingegen haben ihre Würde und ihre königliche Anmut verloren. Sie wollen auch stark und männlich sein, sie wollen auch kämpfen, sie wollen gleich sein. Das ist gesellschaftlich ein legitimer Anspruch, in unserem Miteinander als Mann und Frau ist es jedoch problematisch.

Er berichtet auch von den 5 Entwicklungsphasen von Mann und Frau und wie wir uns von einer Stufe zur nächsten entwickeln. Wie wunderbar, dass das heute möglich ist.

Schuldig oder nicht schuldig?

Das ist eine häufige Frage in Beziehungen, wer ist hier Opfer und wer ist Täter? Und was nützt eine Antwort darauf? Wenn wir heraus finden, dass der andere uns etwas angetan hat, geht es um Wiedergutmachung. Wie kann die gelingen? 

Manchmal sieht es so aus, als bräuchte der Täter die Bereitschaft des Opfers, eine Entschuldigung zu akzeptieren und den Vorfall zu vergessen. Und das Opfer bräuchte die Bereitschaft des Täters, seine Tat anzuerkennen und einen Ausgleich anzubieten. BEIDE bleiben in der Täter-Opfer-Dynamik gefangen und warten darauf, dass der andere ihnen hilft da rauszukommen. In dieser Wartehaltung haben manche ihr ganzes Leben verbracht. Und so sind wir manchmal auch in unseren Beziehungen. Wir warten darauf, dass der andere endlich seine Schuld anerkennt oder meine Entschuldigung annimmt. Das kann dauern und hält uns gefangen, die Beziehung stagniert.

Die Lösung liegt in jedem selbst

Wenn ich als Opfer anerkenne, dass es wirklich schlimm war aber, dass es jetzt vorbei sein darf und ich genug gelitten habe, kann ich rauskommen aus dieser Opferhaltung. Das gleiche gilt für den Täter, erst wenn er anerkennt wie schlimm es auch für ihn war und wenn er Mitgefühl für das Opfer und für sich selbst entwickelt, kann er rauskommen aus dem Schuldgefühl. Das Buch „Im Antlitz des Bösen“ von Christl Lieben beschäftigt sich mit dem Thema Täter noch einmal sehr tief.

Frauen

Oft erleben sich Frauen als Opfer von Gewalt durch Männer. Sie wurden Jahrhundertelang unterdrückt, sie wurden und werden als Besitz gesehen, sie mussten und müssen sich an strenge Regeln halten, die im Gegenzug für Männer nicht gelten. Das Sanfte und Weibliche wird belächelt, die Beziehungskompetenz ausgenutzt und schlecht bezahlt. Das gilt für weiche und weibliche Männer genauso wie für Frauen. 

Natürlich sind Frauen auch Täterinnen, sie rächen sich, sie nutzen und benutzen die Kinder für ihre Rache, sie lügen und betrügen um sich Vorteile zu verschaffen. Sie sind keinesfalls die besseren Menschen. Aber die weiblichen Kräfte sind nach wie vor die unterdrückteren Kräfte. Das Weiche, Hingebungsvolle, Dienende erfährt immer weniger Schutz und Anerkennung durch die Entwicklung in unserer modernen Zeit. Niemand will mehr dienen, sondern wir müssen uns alle durchsetzen, Vorstand werden, in den Krieg ziehen, Superstar sein. 

Eigentlich brauchen wir immer noch mehr Gleichwertigkeit, Respekt und Anerkennung und wir brauchen Gewaltfreiheit!

Männer

Sie erleben sich oft als Täter, sie fühlen sich schuldig und denken, nicht genug zu geben, nicht richtig zu sein. Sie werden benutzt von der Gesellschaft als Kannonenfutter oder durch Leistungsdruck in den Burnout getrieben. Ihnen geht es ebenfalls nicht gut. Tätern geht es nie gut. Das ist uns in unserer Gesellschaft oft nicht klar. Sie leiden ebenfalls sehr unter der Tat. Natürlich muss ein Täter mit den Konsequenzen seiner Tat leben. Er muss sich dem stellen und durch die Gesellschaft auch in seine Schranken gewiesen werden. 

Aber oft haben Männer gar nichts getan, sie spüren nur das Gefühl schuldig zu sein. Zur Wiedergutmachung wollen sie dann die Welt (die Frauen) retten und sie wollen Helden sein, wissen aber gar nicht wie das geht. Sie wünschen sich Anerkennung und Respekt werden aber ebenfalls in ihrem Bemühen belächelt. Es gibt Bücher mit dem Titel „Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut“ Die Reproduktionsmedizin arbeitet daran, den Mann überflüssig zu machen, das Y-Chromosom hat in den letzten 300 Millionen Jahren von ihren ursprünglich 600 Genen nur noch 19 behalten…. Es sieht manchmal so aus, als sei der Mann überflüssig. 

Auch ihm fehlt Gleichwertigkeit, Respekt und Anerkennung und auch er braucht (vor allem als kleiner Junge) Gewaltfreiheit!

Gemeinsam dem Leben dienen

Mann und Frau sind eindeutig immer noch verstrickt in den Kampf. Sie schaffen es immer wieder sich gegenseitig Vorwürfe zu machen und nicht an einem Strang zu ziehen. Sie wollen einander nicht mehr brauchen, nicht mehr ergänzen, sondern sie wollen dem anderen zeigen, dass er so wie er oder sie ist, falsch ist. 

Wenn es einem Paar  allerdings gelingt, das Leben wieder in den Mittelpunkt zu stellen und sich dafür zu entscheiden, gemeinsam dem Leben zu dienen, kommen sie beide in ihre Kraft.

Das gilt nicht nur für Paare, sondern wir tragen jeder auch die männlichen und die weiblichen Kräfte in uns. Wie wir innerlich diese streitenden Kräfte in Einklang bringen, entscheidet über unsere Beziehungsfähigkeit. Es bringt wirklich spannende Erkenntnisse, sich einmal genauer mit dem inneren Mann und der inneren Frau zu beschäftigen, denn das Ungleichgewicht beginnt häufig schon dort in uns selbst.

Unsere Ahnen

In Aufstellungen kann man sich auch wieder mit der Kraft der Ahnen verbinden. Dann werden die männlichen und die weiblichen Vorfahren in einer Reihe hintereinander gegenüber gestellt, bis zu 7 Generationen weit zurück. Ganz vorne steht dann der jetzt lebende Nachfahre und er oder sie spürt die Kraft der Weiblichkeit oder Männlichkeit im Rücken. Wenn dann die Stellvertreter unserer Ahnen ihre Kraft von hinten nach vorne weiterreichen, spürt auf einmal jeder im Raum welche Anziehungskraft zwischen Mann und Frau ist und wie sehr sie einander brauchen. Das ist ein schönes und kraftvolles Ritual für ein Paar denn das, was die beiden miteinander verbindet, wird im Raum fast greifbar und kann dann in den Alltag integriert werden. Das stärkt ihre Partnerschaft und hilft ihnen dabei, als Eltern für die Kinder da zu sein.

Dies ist ein Gastbeitrag von Manuela Komorek, Systemische Paartherapeutin und zweifache Online-Kongress Veranstalterin.