Ein Konflikt eskaliert, Mitarbeitende kündigen, niemand weiss so recht, wie alles begonnen hat.
Die Eskalationsstufen von Friedrich Glasl geben eine Orientierung, in welcher Phase du dich in einem Konflikt befindest, ab wann eine Meinungsverschiedenheit ein Konflikt ist und welche Massnahmen getroffen werden können, um den Konflikt zu klären oder eine Eskalation zu mindern.
Du sprichst nur noch das Nötigste mit deinem Büronachbarn? Du gehst erst zur Toilette, wenn Frau Müller aus der Pause zurück ist, damit du ihr nicht begegnest? Und du findest das Verhalten von Herrn Meier so enervierend, dass du regelmässig ungeduldig und laut wirst, wenn du mit ihm reden musst. Vielleicht denkst du, es sei «halt normal, dass am Arbeitsplatz nicht immer alles rund läuft». Und du bist dir nicht bewusst, dass die Situation möglicherweise bereits so verbaut ist, dass es jetzt deine Entschlossenheit oder sogar die Vermittlung einer dritten Person braucht, um die Blockierung zu lösen und für beide Seiten eine Veränderung zu herbeizuführen. Diese Situation kennen viele Mitarbeitende auf allen Hierarchiestufen.
Was hat sich im Vorfeld abgespielt?
Sehr häufig ist der Beginn einer Eskalation so harmlos, dass niemand auf die Idee kommt, hier den Startpunkt eines Konflikts zu markieren: Eine scheinbar unbedeutende Meinungsverschiedenheit, ein Personalwechsel im Team, eine veränderte persönliche Situation eines Teammitglieds, die sich am Arbeitsplatz zeigt. Das alles sind alltägliche Situationen, denen wir keine besondere Aufmerksamkeit widmen, wenn wir das Konfliktpotenzial darin nicht kennen.
Eine Meinungsverschiedenheit ist kein Konflikt, wenn sie besprochen und bereinigt wird. Sie eskaliert ganz heimlich und fast unbemerkt, wenn die Beteiligten das Thema immer wieder beiseiteschieben und nicht mehr ansprechen, obwohl es sie immer noch beschäftigt. In dem Fall wird das Thema immer wichtiger, der Fokus darauf deutlicher, das Verständnis für die andere Person geringer und die damit einhergehende Emotion grösser. Betroffene haben den Eindruck, durch andere beeinträchtigt zu sein. Wenn es soweit ist, ist eine sachliche Klärung meist schwierig. Sinnvoller, nicht immer einfacher ist Nachfragen und Klären in einem frühen Stadium, sobald du merkst, dass du wegen eines Vorfalls irritiert bleibst.
Zur erfolgreichen Klärung braucht es einige Zutaten
Überprüfe deine Wahrnehmung: Hast du dein Gegenüber richtig verstanden oder interpretierst du Aussagen?
- Frage sofort nach, hole beim Gegenüber Feedback ein. Das hilft, Missverständnissen vorzubeugen und Konflikte im Keim zu ersticken.
- Bringe deinem Gegenüber Achtung, Respekt und Vertrauen entgegen: Das ist eine grundlegende innere Haltung in Auseinandersetzungen. Begegne deinem Gegenüber respektvoll, auch wenn es eine andere Meinung als du hat.
- Höre zu und lasse dein Gegenüber ausreden: Weisst du häufig schon, was du als Nächstes erwidern willst, bevor dein Gegenüber fertig gesprochen hat und du weißt, um was es geht? Höre offen und kreativ zu. Das unterstützt den gemeinsamen Prozess der Verständigung und Lösungsfindung.
- Rede in Ich-Botschaften: Ich-Botschaften informieren klar und zeigen deine Gemütsverfassung. Du-Botschaften weisen häufig Schuld zu oder können zumindest so verstanden werden. Dadurch werden Gegenreaktionen hervorgerufen, die dann wieder eine Klärung benötigen. Bleibe einfach in deinen Aussagen, damit bleibst du für dein Gegenüber verständlich.
- Entschlossenheit und Offenheit: Sei entschlossen, deinen Teil dazu beizutragen, dass die Auseinandersetzung geschlichtet und Lösungen gefunden werden können. Zeige Offenheit in der Diskussion. Taktieren führt zu Vertrauensverlust und macht gemeinsame Lösungen schwierig.
- Trenne Sachebene und Persönliches: Wenn du dir bewusst bist, dass deine emotionale Reaktion mit dir und nicht mit deinem Gegenüber zu tun hat, kannst du die persönliche und sachliche Ebene besser trennen. Dein Gegenüber ist der Auslöser für deine Reaktion, für die Reaktion selbst bist du verantwortlich.
Neun Stufen der Eskalation
Nützlich ist es auch zu wissen, wie stark der Konflikt bereits eskaliert ist, um die richtigen Massnahmen zu ergreifen. Ist es sinnvoll, eine dritte Person beizuziehen, bevor die Situation weiter eskaliert? Oder können die Konfliktparteien miteinander eine Lösung finden?
Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat dazu ein Ebenenmodell in neun Stufen entwickelt. Er geht davon aus, dass Konflikte sich in Stufen abspielen, angefangen bei der ersten Stufe, der Verhärtung zwischen Konfliktparteien, bis hin zur neunten Stufe, bei der die Parteien die eigene Vernichtung riskieren, wenn nur der Feind zerstört wird.
Konflikte im beruflichen Umfeld spielen sich häufig auf den ersten drei Stufen ab, wo es um polarisierte Meinungen geht, um Missverständnisse, um Reaktionen, bei denen die eine Partei die andere vor vollendete Tatsachen stellt. In diesem Fall ist deine Entschlossenheit gefragt. Kläre den Konflikt, bevor er sich zuspitzt.
Wenn der Konflikt weiter eskaliert, befindest du dich bereits auf den nächsten drei Konfliktebenen, bei denen es um das Schmieden von Koalitionen gegen «den Feind» geht, um die Angst vor Gesichtsverlust und um Drohstrategien, um die Gegenpartei in Schwierigkeiten zu bringen. Glasl schlägt auf dieser Stufe eine Vermittlung von einer Drittperson vor, da der Vertrauensverlust bereits zu gross ist, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Die letzten drei Stufen spielen sich in der Regel in grossen kriegerischen Konflikten zwischen sozialen Gruppen ab und nicht im Geschäftsalltag zwischen Einzelpersonen.
Fazit
Konflikte beginnen also mit scheinbar unwichtigen Meinungsverschiedenheiten und Verhärtung. Vermeintliche Toleranz und abwartendes Schweigen sind in dieser Situation nicht tauglich. Konstruktiv sind Klarheit, Offenheit, Entschlossenheit und Vertrauen, dass die Situation lösbar ist, wenn sie angepackt und bereinigt wird.
Du willst dich ins Thema vertiefen und dich präventiv in deiner Kommunikation trainieren, dann bist du bei diesem Angebot richtig. Wenn du Führungskraft bist und es Unstimmigkeiten in deinem Team oder mit deiner Führung gibt, dann ist ein Einzelcoaching sinnvoll und effizient.