Mutter zu werden ist eines der bedeutendsten Ereignisse im Leben einer Frau. Wie auch immer sich der Wechsel von schwanger und noch «Frau sein» durch die Geburt des Kindes ins «Mutter sein» gestaltet, er verändert das Frauenleben gewaltig und dauerhaft. Die Lebensentwürfe von Müttern sind heute vielfältig und beinhalten die ganze Bandbreite von Möglichkeiten, von ausschliesslich zuhause bei den Kindern zu sein bis dahin, wieder voll ins Arbeitsleben einzusteigen. Allen gemeinsam sind einige Komponenten, die nicht nur die Frau und Mutter, sondern das Paar und die Eltern unterstützen, mit ihren verschiedenen Rollen in der neuen Situation klarzukommen. In diesem Artikel spreche ich einerseits über familiensystemische Elemente, andererseits über Verhaltensweisen in der Kommunikation, die dem Paar helfen, miteinander in Verbindung zu bleiben, auftauchende Probleme gemeinsam anzupacken und Lösungen zu finden.

Junge Eltern verlieren häufig die Partnerschaft aus den Augen

In meinen Paarcoachings sehe ich in der ersten Beratungsstunde häufig dieses Bild: Junge Eltern, die versuchen, der Situation mit einem kleinen Kind, einer geplanten Karriere und einem zeitweise fordernden Umfeld gerecht zu werden und dabei die Partnerschaft aus den Augen verlieren. Beide geben ihr Bestes und beide fühlen sich dennoch im Mangel und nicht genügend wertgeschätzt. Der daraus entstehende Frust, häufig auch die Ermüdung, die die Situation mit einem kleinen Kind mit sich bringt, wecken Aggressionen und gegenseitige Vorwürfe sind häufig. Die Paare sind ratlos und wissen nicht, wie sie aus dieser Fallgrube wieder herausfinden. Meist können sie sich ganz vage an das Gefühl der Zuneigung erinnern, auch wenn es bereits kaum mehr zu fühlen ist. Wo ist der Ausweg?

Rollen im Familiensystem

Als Menschen haben wir in verschiedenen Situationen unterschiedliche Rollen, in denen wir leben und die wir ausfüllen und für die wir Verantwortung übernehmen müssen. Im Familiensystem sind es die Rollen der Eltern, in der Partnerschaft zwischen diesen Eltern sind es die Rollen der Frau als Partnerin und des Mannes als Partner. Am Arbeitsplatz wäre zum Beispiel eine Rolle der Vorgesetzten auszufüllen und für die entsprechenden Aufgaben Verantwortung zu übernehmen. Zuhause ist die Vorgesetzte wieder Mutter und Partnerin. Wenn die Eltern zu Besuch kommen, ist sie zudem auch noch Tochter und ihr (Ehe-) Partner ist Schwiegersohn. Die Rollen sind also vielfältig und am Anfang scheint diese Aufteilung kompliziert, verwirrend und zu aufwändig, um sie genau im Bewusstsein zu halten. Es braucht etwas Übung, doch dann erleichtert dir diese Übersicht über deine Situation den Alltag und du weisst, in welchem Moment du in welcher Rolle welche Aufgabe hast. Das bedeutet nicht, das du nicht mehr «du selbst» sein kannst, es bedeutet lediglich, dass du weisst, womit du es gerade zu tun hast. Dein Ausdruck, wie du dein Sein, deine Aufgaben und Verantwortungen wahrnimmst und ausdrückst, der bleibt individuell und einzigartig.

Das Individuum

Es gibt in diesen Rollen im Familiensystem eine Reihenfolge der Wichtigkeit, damit alles rund läuft. Das Individuum – also zum Beispiel die Frau, die soeben Mutter geworden ist – nimmt sich Zeit für sich, setzt sich mit sich und der neuen Situation auseinander, geniesst sie und freut sich, sieht und thematisiert aber auch die Schattenseiten. Zum Beispiel die Müdigkeit, weil das nachtaktive Kind so häufig wach wird und frau so präsent sein muss mit diesem noch so abhängigen Nachwuchs. Sie nimmt wahr und hält den Spagat aus, dass sie sich einerseits sehr freut und andererseits an ihre Grenzen kommen kann. Und sie spricht darüber: Wenn sie sich freut und auch, wenn sie überfordert ist. Das tut natürlich auch der Mann, denn auch er ist für sich zuständig, macht sich Gedanken über seine neue Situation und teilt sich mit.

Das Paar

Aus dieser bewussten Wahrnehmung der eigenen Situation entstehen die Gespräche, die die beiden Individuen als Paar miteinander führen. Ganz häufig wird diese Ebene nach der Geburt des Kindes vernachlässigt und geht regelrecht unter. Nach der Geburt ist die Mutter meist sehr eng mit dem Kind verbunden und der Vater bleibt in dieser neuen Dreiecksbeziehung aussen vor. Er zieht sich aus dieser Situation zurück und ist weder für die Frau, die seine Unterstützung jetzt dringend braucht noch für das Neugeborene da. Nach spätestens einem halben Jahr fehlen Romantik, Sexualität und genügend Zeit nur für die Partnerschaft. Zum Beispiel, um zwischendurch ins Kino, auf ein Konzert oder eine Party zu gehen, um zusammen einem Hobby zu frönen oder einfach, um miteinander zu SEIN. Wenn diese Paarebene fehlt, gelingt auch die Elternebene schlecht. Wenn die Partnerschaft gepflegt wird, der Vater neben der Symbiose zwischen Mutter und Kind seinen Platz an der Seite der Frau hat und sich aktiv um die Beziehung zum Kind bemüht, werden die Aufgaben, die die Rolle als Eltern mit sich bringt, einfacher und Probleme einvernehmlich lösbar.

Die Eltern

Wenn das Paar sich genügend Zeit nimmt, ist die Rolle der Eltern viel einfacher zu leben, da das Vertrauen innerhalb der Partnerschaft gestärkt wird. Wenn das Vertrauen in das Gegenüber gestärkt ist, haben die Eltern meist mehr Elan, Schwierigkeiten anzupacken. Sie sind bei der Bewältigung von alltäglichen Anforderungen erfindungsreicher als Eltern, die sich gegenseitig Vorwürfe machen. Die Klarheit darüber, welche Entscheidungen und Handlungen zur Rolle des Elternseins gehören und welche in die Partnerschaft, erleichtert vieles und bringt Entlastung in den Alltagstrubel.

Wie eine Pflanze, die sich entfaltet. Individuum – Partnerschaft – Elternschaft, diese Ebenen bauen aufeinander auf. Je klarer ein Individuum über sich selbst Bescheid weiss und bereit ist, sich tiefer und tiefer kennenzulernen, desto klarer gestaltet sich die Partnerschaft und umso partnerschaftlicher kann das Paar als Eltern sich entfalten. Wie bei einer Pflanze gehören die drei Bereiche zusammen und bauen aufeinander auf.

Kommunikation und innere Haltung

Die entscheidenden Elemente in der gemeinsamen Kommunikation sind in allen Rollen gleich:

  • Du nimmst dich, deine Gefühle und Bedürfnisse ernst, egal wie absurd sie dir vorkommen.Du nimmst auch dein Gegenüber in seiner speziellen Situation ernst. Dadurch entsteht ein Gefühl von Gleichwertigkeit und Miteinander.
  • Rede von dir, von deinen Gefühlen und Bedürfnissen und nicht von deinem Gegenüber. Wenn du dein Gegenüber ändern möchtest, erntest du Widerstand, sei das mit Rückzug oder mit Aggression und Vorwürfen. Du kennst das von dir: Auch du schätzest es nicht, wenn jemand dir Vorwürfe macht und dich ändern will. Wie ist deine Reaktion, wenn das jemand probiert?
  • Höre deinem Gegenüber zu und nimm es ebenfalls ernst. Stelle Fragen und interessiere dich. Verstanden und wahrgenommen zu werden ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Du musst mit deinem Gegenüber nicht einverstanden sein. Wichtig ist, seine Meinung und seine Bedürfnisse zu hören und wenn möglich zu verstehen.
  • Nehmt euch als Paar einmal pro Woche Zeit für Zweisamkeit. Eine oder zwei Stunden reichen. Häufig höre ich von Paaren, dass sie dafür eben keine Zeit hätten. Doch wie viel Zeit verbrauchst du oder benötigt ihr beide zusammen, wenn ihr euch selber und gegenseitig Vorwürfe macht. Oder wenn ihr tagsüber oder nachts überlegt, wie ihr das jetzt lösen sollt und euch Strategien ausdenkt (die dann sowieso nicht funktionieren).
  • Es ist nützlich, miteinander einen Termin zu vereinbaren und den so ernst zu nehmen wie zur Arbeit zu gehen oder zur Ärztin, wenn das Kind krank ist. Das gibt eurer Beziehung das nötige Gewicht und den notwendigen Raum.

Dich als Frau und euch als Paar möchte ich ermutigen, diese Vorschläge zu testen und zu sehen, ob sie eure Situation entlasten, ihr wieder mehr Luft zum Atmen habt und auch die Zuneigung und das Verbundensein wieder ihren Platz bekommen.