Die allermeisten Menschen wissen nicht, wie sie Wertschätzung und Empathie unterscheiden und richtig benutzen können. Sogar drei Hochschulprofessoren haben mir mal gebeichtet, dass sie keine Ahnung haben, wie sie die beiden unterscheiden können und baten mich, sie aufzuklären. Eine Definition der beiden Begriffe und die Information, wann das eine, wann das andere benutzt wird, räumt mit der Unklarheit auf. Dieser Artikel ist für Führungskräfte geschrieben, der Inhalt gilt aber genauso für alle Menschen, die sich für das Thema interessieren.

Definition Wertschätzung 

Der Begriff «Wertschätzung» bedeutet die Anerkennung eines Menschen, so wie er ist – mit seinen Stärken und Schwächen, die von dir als Führungskraft wahrgenommen werden. Dazu gehören Respekt, Wohlwollen, Interesse und Freundlichkeit. Diese grund­sätz­liche Anerkennung eines Menschen ist die Überschrift beim Thema Wertschätzung.

Jede Art von Wertschätzung fusst auf der Grundhaltung «Gut, dass es dich gibt!». Das Gegen­teil von Wert­schätzung ist Geringschätzung, die bis hin zur Verachtung gehen kann.

Wertschätzung gehört zu den grund­legenden menschlichen Bedürfnissen. Der amerikanische Psychologieprofes­sor Abraham H. Maslow (1908–1970) hat eine Pyramide entwickelt, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse des Men­schen aufzeigt. Er unterscheidet zwi­schen Grundbedürfnissen, die erfüllt sein müssen, damit in­dividuelle Ziele überhaupt in Angriff genommen werden können und Bedürf­nis­sen, welche die persönliche Entwicklung fördern, wenn sie erfüllt sind.

Wertschätzung kommt gleich nach den Grundbedürfnissen Nahrung, Sicherheit und Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Sie wird an der Grenze zwischen den Grundbedürfnissen, die auf jeden Fall erfüllt sein müssen, und den Wachstumsbedürfnissen eingestuft. Diese Tatsache zu beach­ten, ist beim Thema «Füh­rungs­kom­petenz Wertschät­zung» wichtig.

❓Wann hast du dich das letzte Mal richtig wertgeschätzt gefühlt?
❓Und wann hast du das letzte Mal jemandem Wertschätzung gezeigt und wie?

Wertschätzung und ihre Anwendung

Ebenso wichtig wie das Bewusstsein, dass Wertschätzung zu den Grund­bedürfnissen des Menschen gehört, ist die Art und Weise, wie du Wert­schätzung ausdrückst. Hier ist deine Authentizität gefragt. Sage nur das, was du wirklich meinst. Und nicht das, von dem du glaubst, dass es dein Gegenüber hören will.

Rund 90 Prozent unserer Kommunikation ist unbewusst und spielt sich auf der Ebene der Körpersprache ab. Körperhaltung, Stimmlage, Lautstärke, Gestik, Mimik, Blick­kontakt und auch der Händedruck gehören dazu. Du kannst dir bei deinem Wertschätzen noch so viel Mühe geben – wenn du es nicht ehrlich meinst, wirkt die Wertschätzung aufgesetzt, flach und unglaubwürdig. Die Körpersprache folgt nicht deinem Willen, sondern deinen unbewussten Gefühlen, die sich körperlich ausdrücken und so auch sichtbar sind.

Im Gegensatz zur Einfühlung, die du in Momenten grosser oder kleinerer Belas­tungen aussprichst, ist Wertschätzung etwas, das du immer aussprechen kannst. Während einer Wertschätzung öffnest du für einen Moment ein Zeit­fenster und verlangsamst das Alltagstempo. So gibst du dem Gesagten Gewicht. Deine Chance ist damit grösser, dass dein Gegenüber dich tatsächlich wahrnimmt und deine Anerkennung hört. Du benötigst nicht viel Zeit. Wichtig sind deine Präsenz und deine Klarheit in dem, was du mitteilen möchtest.

Gute Möglichkeiten Wertschätzung auszudrücken sind:

  • zu sagen, was gut gemacht wurde und wann,
  • zu erwähnen, welchen Nutzen oder Gewinn das Erledigte oder Erreichte bewirkt,
  • und zu danken.

Kontraproduktiv sind Wertschätzungen «zwischen Tür und Angel» und wenn du nicht klar aussprichst, was genau du wertschätzt. Das führt zu Missverständnissen, Interpretationen, was du vielleicht gemeint haben könntest, oder zu Ärger und Ratlosigkeit.

Fehlende oder unklare Wertschätzung bewirkt:

  • Frustration und Ärger
  • Befürchtungen
  • passiven Widerstand

❓Wie authentisch bist du in deiner Wertschätzung – auch wenn du unter Druck bist?
❓Spürt dein Team, dass du meinst, was du sagst?

Definition Empathie

Empathie stammt aus dem Griechischen, bezeichnete eine heftige Gefühlsregung und wurde mit «Leidenschaft» übersetzt. Unter Empathie versteht man im Allgemeinen die Fähigkeit, Gedanken, Emo­tionen, Absichten und Charakterzüge eines Menschen zu erkennen und zu ver­stehen. Sie wird als kognitive Empathie bezeichnet. Emotionale Empathie bedeutet, dass man die Emotionen anderer Menschen, wie Trauer oder Schmerz, erkennt und darauf reagiert. «Einfühlungsvermögen» ist die deutsche Übersetzung für das Wort «Empathie», das im deutschsprachigen Raum erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeführt wurde.

❓Kannst du empathisch bleiben ohne mitzuleiden oder dich zu sehr abzugrenzen?
❓Wo endet für dich Mitgefühl und beginnt Vereinnahmung?

Empathie und ihre Anwendung

Empathie ist die wohltuende Brücke zwischen dir und einer anderen Person. Du verlangsamst für einen Augenblick das Alltagsgeschehen, um den Blickwinkel zu wechseln und Verständnis zu zeigen. Empathie braucht meistens nicht viel Zeit, sondern nur einen Moment deiner Präsenz.

Zum Beispiel ist es ausreichend zu sagen: «Ja, wir haben jetzt gerade sehr stressige Zeiten!» Verständnis zu zeigen bedeutet, den Fokus auf das Erleben des Gegenübers zu legen und sich selbst für kurze Zeit in den Hintergrund zu stellen. Wenn du empathisch bist, findest du die richtige Mischung zwischen Zuwendung und Abgrenzung. Zu viel Zuwendung ist distanzlos und unangenehm.

Wenn du dich hingegen zu sehr abgrenzt, koppelst du dich vom Geschehen ab und bist desinteressiert. Kontraproduktiv sind auch Interventionen, bei denen du herunterspielst, was dein Gegenüber erlebt, indem du eine beschwichtigende Aussage machst. Bei unserem Beispiel könnte dies eine abschwächende Antwort sein: «Ach, nimm es doch einfach etwas leichter!» Eine solche Bemerkung wirkt eskalierend, auch wenn sie gut gemeint ist. Die angesprochene Person fühlt sich unverstanden, nicht gehört und nicht abgeholt im eigenen Erleben und wird ärgerlich, irritiert oder deprimiert.

Ebenfalls eskalierend wirken Erzählungen von eigenen, ähnlichen Erlebnissen. Wer Empathie braucht, ist nicht offen für die Geschichten anderer Menschen. In diesem Moment braucht er selbst die ungeteilte Aufmerksamkeit. In unserem Beispiel tönt das so: «Ja, das kann ich verstehen. Ich war früher auch oft so gestresst. Ich habe dann … gemacht. Das hat mir geholfen und heute kann ich das gut bewältigen.»

Wenn das Gegenüber in einem Moment der Belastung Verständnis braucht, ist der richtige Moment gekommen, um empathisch zu sein und Verständnis zu zeigen. Empathie ist deshalb situationsbedingt.

❓Wieviel Nähe verträgt dein Führungsstil?
❓Wann kippt Einfühlung in Vereinnahmung?

Sofortige Stressreduktion durch Wertschätzung und Empathie

Wertschätzung und Empathie bewirken beim Gegenüber eine sofortige Stressreduktion auf verschiedenen Ebenen:

Körperlich

  • Entspannung der Muskulatur im gesamten Körper
  • Anstieg der inneren Dynamik
  • angenehmes, gestärktes Körpergefühl

Geistig

  • Mut zur Inspiration und Kreativität
  • Motivation und Einsatz
  • Durchhaltewillen auch in schwierigen Situationen

Emotional

  • Vertrauen und Sicherheit
  • Loyalität mit dem Unternehmen
  • Freude an der Situation und an der Arbeit

❓Wie bewusst steuerst du die Energie in einem Gespräch?
❓Merkst du, wann Spannung sich löst und was das mit deiner Präsenz zu tun hat?

Wertschätzung und Empathie im Alltag anwenden….üben, üben, üben

Damit dir die Unterscheidung von Wertschätzung und Empathie in deiner inneren Haltung und deinem Verhalten geläufig wird, braucht es Übung und vor allem Erfahrung. Diese Erfahrungen spielerisch und experimentierfreudig zu machen, dazu lade ich dich ein.

So kannst du Erfahrungen machen

  • Nimm wahr, was du ausdrücken willst
  • Probiere aus, ob es dir gelingt.
  • Nimm die Reaktion deines Gegenübers wahr.
  • Frage bei guten Freundinnen und Freuden nach, wie deine Wirkung ist.
  • Probiere erneut aus.
  • Feiere dich, wenn es dir gelingt!

❓Wie möchtest du führen? Mit Kontrolle oder mit Verbindung?
❓Was würde sich ändern, wenn du beides wirklich lebst: Wertschätzung und Empathie?

Ich wünsche dir viel Vergnügen beim Ausprobieren und Integrieren.

Hier geht es zum nächsten Artikel zu diesem Thema: Weshalb deine innere Haltung so entscheidend ist, wenn du führst.

Bildquelle: Pascal Bovey

Was ist der Unterschied zwischen Wertschätzung und Empathie?

Wertschätzung bedeutet, einen Menschen als Ganzes zu sehen und anzuerkennen, unabhängig von Situation oder Leistung. Empathie hingegen ist die Fähigkeit, sich in das aktuelle Erleben eines anderen Menschen hineinzuversetzen und Verständnis zu zeigen. Wertschätzung ist eine Grundhaltung, Empathie eine situative Reaktion.

Kann man empathisch sein, ohne mitzuleiden?

Ja. Echte Empathie braucht Präsenz, nicht Mitleid. Wer mitfühlt, ohne mitzuleiden, bleibt verbunden und gleichzeitig handlungsfähig. Das erfordert Selbstwahrnehmung und innere Abgrenzung. Gerade in Führungsrollen ist das eine Schlüsselkompetenz.

Wie drücke ich Wertschätzung im Arbeitsalltag authentisch aus?

Indem du konkret, ehrlich und präsent bist. Sag, was du anerkennst und warum. Ein Satz wie „Ich habe gesehen, wie sorgfältig du das vorbereitet hast – danke“ wirkt stärker als ein allgemeines „Gut gemacht“.

Wann ist Empathie in der Führung besonders wichtig?

In Momenten von Druck, Unsicherheit oder Konflikt. Ein kurzer empathischer Satz („Ja, das ist gerade viel“) kann mehr Vertrauen schaffen als jede Strategie. Empathie öffnet Räume, in denen Lösungen entstehen können.

Wie viel Nähe ist in einer empathischen Führungssituation gut?

So viel, dass dein Gegenüber sich gesehen fühlt und so wenig, dass du handlungsfähig bleibst. Nähe ohne Grenze wird Vereinnahmung, Distanz ohne Empathie wird Kälte. Führen heißt, diese Balance bewusst zu halten.

Warum werden Wertschätzung und Empathie oft verwechselt?

Weil beide positive Emotionen auslösen. Doch während Empathie auf Verstehen zielt, gründet Wertschätzung auf Anerkennung. Wer sie verwechselt, reagiert oft, statt bewusst zu führen und verliert die Klarheit im Miteinander.

Was bewirken Empathie und Wertschätzung im Körper?

Sie senken messbar den Stresspegel, entspannen Muskulatur und Atem, fördern Vertrauen und Kreativität. In Teams entsteht ein Klima, in dem Menschen sich sicher fühlen und Verantwortung übernehmen.

Wie kann ich Wertschätzung und Empathie trainieren?

Indem du dich im Alltag beobachtest und beide ausprobierst. Achte darauf, was du ausdrücken willst, wie du reagierst und wie dein Gegenüber antwortet. Feedback, Selbstreflexion und kleine, ehrliche Gesten sind die beste Übung.

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  1. Vielen Dank für Ihren interessanten Artikel. Ja, Empathie bedeutet, die Gefühle jener Menschen zu erkennen und zu verstehen, mit denen wir es täglich zu tun haben. Das ist besonders wichtig dort, wo wir am meisten Zeit verbringen: am Arbeitsplatz.

    Nicht nur als Chef können Sie mit Empathie angemessen auf ihre MitarbeiterInnen reagieren. Wer empathielos ist, hat oft wenig Einfühlungsvermögen für andere Menschen. In einer Beziehung kann das den Partner unter Umständen unglücklich machen.

    Es gibt ganz unterschiedliche Gründe dafür, warum jemand empathielos ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man es trainieren kann, eine andere Person besser zu verstehen. Dabei geht es doch darum, das zu spüren, was der andere fühlt.

    Jeder Mensch ist unterschiedlich, manche sind sehr sensibel und können sofort spüren, was in einem Gespräch in der Luft liegt. Andere sind da eher schwerfälliger und können sich nur sehr schwer, in andere Personen hineinzuversetzen. Wir haben uns schon oft Gedanken darübergemacht, was die Ursachen für diese Unterschiede sind.

    Wer Empathie hat, der hat Mitgefühl für eine andere Person und wird auch als emotional intelligent bezeichnet. Ich versuche immer darauf zu achten, was mir mein Herz sagt bei einer Begegnung mit anderen Menschen. Wir alle begegnen häufig fremde Personen und oft ist es hilfreich zu spüren, was der andere fühlt und denkt. Wer dafür ein Gespür entwickelt räumt gewisse Missverständnisse vor vornherein aus. Und das ist bei der Teamarbeit am Arbeitsplatz sehr wichtig.

    Wir denken, wir alle besitzen die Fähigkeit der Empathie. Allerdings ist sie bei allen unterschiedlich stark vorhanden. Manche sind von Haus aus einfach begabter dafür und andere müssen sich das Wissen über die Empathie erst besser aneignen. Auf alle Fälle hilft Empathie dabei, Verständnis für eine andere Person zu entwickeln. Und das ist im Alltag sehr gut. Damit lassen sich viele Herausforderungen meistern und bewältigen.

    Wir haben gelesen, dass neue Forschungen darauf hinweisen, dass Empathie und Mitgefühl gerade auch mit sich selbst und natürlich mit anderen Menschen Schlüsselfaktoren sind, um geistig gesund zu bleiben und sich selbst emotional wohlzufühlen.

    Achtsamkeit und Mitgefühl fehlen bei Menschen ohne Empathie
    Wenn sie diese Fähigkeiten vernachlässigt haben, können sie sie kultivieren. Meist sind Menschen davon betroffen, die in erster Linie nur mit sich selbst beschäftigt sind. Ihnen fehlt oft der Blick hin zum Nächsten.

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