Kommunikation: Zuhören als Chefsache

Vermehrt kann ich als Kommunikationsexpertin in einschlägigen Magazinen lesen, dass Zuhören für Führungskräfte ganz wichtig sei, um Ressourcen zu nutzen und motivierte, loyale Mitarbeitende zu haben. Die Erkenntnis, dass Kommunikation auch aus Zuhören besteht, klettert nun ebenfalls die Karriereleiter hinauf. Doch kann ich in meinen Coachings und Seminaren immer wieder feststellen, dass die verschiedenen Varianten der Kunst des Zuhörens häufig unbekannt sind.

Wie also können Vorgesetzte auf eine Art aktiv zuhören, durch die sich ihre Mitarbeitenden gehört und verstanden fühlen? Als Erstes vier Grundvarianten des Zuhörens, die den Erfolg bereits entscheidend beeinflussen: Reden ist silber, zuhören ist gold.

1. «Da haben Sie recht, aber…» Zuhören

Hier handelt es sich gar nicht um Zuhören, sondern um den Auftakt zum eigenen Sprechen. Da es als unhöflich gilt, jemandem ins Wort zu fallen, werden Sätze gesagt wie «Richtig, das finde ich auch, aber….» und schon gibt das Gegenüber die eigene Meinung von sich, ohne die andere Person wirklich zu hören. Man redet mehr oder weniger locker aneinander vorbei und jeder weiss das. Körpersprachlich kannst du schon vorher beobachten, dass der Gesprächspartner sich vorbeugt, er kurz nickt oder sich aufrichtet und Luft holt, alles Anzeichen, dass er jetzt etwas von sich geben will. Viele Arbeitnehmer halten ihre Chefs bei einem solchen Verhalten für unfähig oder dominant, denn echtes Zuhören findet hier nicht statt. Die Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Überlingen am Bodensee hat in einer Studie Manager zum Thema befragt. Darin geben nur 16,5 Prozent der Befragten an, dass ihr Chef gut zuhören könne. Ein schlechtes Zeugnis für die Vorgesetzten.

2. Aufnehmendes Zuhören

Bei dieser Art des Zuhörens wird der Zuhörer oder die Zuhörerin still und gibt dem Gegenüber Raum zum Sprechen. Diese Art des Zuhörens stellt die eigene Meinung für einen Moment in den Hintergrund und versucht, das Gesagte tatsächlich aufzunehmen. Die Körpersprache des Zuhörenden zeigt weder Ungeduld noch Desinteresse und Augenkontakt und Kopfnicken signalisieren Verstehen.

3. Umschreibendes Zuhören

Die zuhörende Person gibt das Gehörte in eigenen Worten wieder. Also zum Beispiel «Du sagst, dass dir …… wichtig ist. Verstehe ich das richtig?» Und dann wartet die zuhörende Person wieder, um sicher zu sein, dass sie die Aussagen des Gegenübers richtig wahrgenommen hat. Das zeigt dem Sprecher oder der Sprecherin, ob der Zuhörer das Gesagte wirklich versteht und nicht nur nachsagt. Mit diesem Hin und Her von nachfragen und genau hinhören entsteht eine Verbindung, die das Vertrauen der beiden beteiligten Personen in den Prozess stärkt. Denn auch die Person, die umschreibend zuhört, kann ihre Sicherheit und ihr Vertrauen stärken: Sie hört aktiv zu, ist am Prozess beteiligt und das gibt auch ihr selbst Sicherheit. Sicherheit stärkt immer das eigene Vertrauen in die Situation und in die Reaktion des Gegenübers. Die Körpersprache der beiden Beteiligten ist entspannt und geht mit den Inhalten des Gesprächs lebendig mit, den beide fühlen sich sicher.

4. Kreatives Zuhören

Kreatives Zuhören geht noch einen Schritt weiter: Die Person, die zuhört, lässt sich noch mehr auf ihr Gegenüber ein. Sie erlaubt sich eigene kreative und das Thema weiterführende Gedanken, die durch das Gesagte entstehen. Eben ein kreativer Prozess. Dieser erlaubt, dass ein Dialog zwischen dem Zuhörenden und dem Sprechenden entsteht. So kann das möglicherweise schwierige Thema weitergeführt werden und häufig eröffnen sich so neue Lösungsmöglichkeiten. Diese Art des Zuhörens verlangt Verlangsamung im Gespräch, Präsenz und gegenseitigen Respekt der Gesprächspartner und eine Offenheit für unerwartete Lösungen.

Hat eine Führungskraft überhaupt Zeit für Verlangsamung?

Diese Frage ist häufig die erste, die gestellt wird. Verlangsamung bedeutet, dass dem Problem und den Personen, die mit dem Problem beschäftigt sind, genügend Raum gegeben wird, um die Problematik zu überblicken und sich auszudrücken. Bereits dadurch, dass dieser Raum entsteht, weicht ein Teil des Drucks und die Beteiligten sind wieder in der Lage, offener zu denken und kreative Lösungsmöglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Häufig, jedoch nicht immer, entstehen in solchen Momenten einfach umsetzbare Lösungswege, mit denen sich alle Beteiligten einverstanden erklären können.

Alle Varianten des Zuhörens ausser der ersten verlangen Respekt, Präsenz und ein gewisses Interesse am Gegenüber. Alle drei Varianten sind erfolgversprechend, weil sie Raum geben für Verständnis und Verstehen, die Türöffner zu Kooperation und Motivation.

Wenn also in der Studie der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft angegeben wird, dass nur 16,5 Prozent der Führungskräfte gut zuhören können, dann sind Vorgesetzte in ihren Kommunikationsskills gefordert.

Kommunikation besteht aus Sprechen und sich mit seiner Meinung eigen und Zuhören und dem Gegenüber Raum lassen für seine ganz persönliche Meinung. Ist das nicht die Grundlage eines Gesprächs und zusätzlich ein Gefälle in der Hierarchie vorhanden, entstehen Widerstand, Rückzug oder Aggression.

Du findest unter Coaching und Mediation Beratungsmöglichkeiten für dich. Oder wenn du dich mit dem Thema tiefer auseinandersetzen möchtest, gibt es Seminare, in denen du deine Kommunikationsskills trainieren kannst