Der kolumbianische Wissenschaftler Jorge Reynolds befasst sich seit Jahrzehnten mit medizinischer Grundlagenforschung. 1958 entwickelte er den ersten Herzschrittmacher. In den letzten Jahren untersuchte er die Funktionsweise und die emotionale Einbindung dieses Organs in das funktionale System des Organismus am Beispiel des Walherzens. Mit Hilfe von Sonarbojen und Satellitenüberwachung werden Veränderungen an der Herzoberfläche gemessen und in Beziehung zu Verhaltensweisen und Gravitationswellen gesetzt.

J. F. H.
Herr Reynolds, warum befassen Sie sich so intensiv mit der Erforschung des Walherzens?

Reynolds
Wir versuchen dadurch mehr über die Funktionsweise des menschlichen Herzens zu erfahren. Denn das Walherz bietet enorme Möglichkeiten, weil es das größte Säugetierherz der Welt ist. Es wiegt bis zu 2000 kg und kann pro Schlag 2000 Liter Blut bewegen. Der Wal ist das einzige Säugetier das vom Wasser- zum Landbewohner wurde und sich dann wieder zum Meerestier entwickelte. An der enormen Oberfläche des Walherzens können wir Regionen mit unterschiedlichen Gefühlsfunktionen und elektrischen Impulsen lokalisieren. Den Herzschlag eines Wals kann man im Wasser bis zu 20 Meilen hören. Wir arbeiten zum Beispiel mit der Weltraumforschung zusammen und messen auch die Auswirkungen der Gravitation auf das Herz.

J. F. H.
Kulturgeschichtlich wurde das Herz als Sitz der Gefühle gesehen. Heute gilt das Herz in der modernen Medizin eher als mechanische Pumpe die notfalls ersetzt werden kann. Und die Hirnforschung besitzt Priorität.

Reynolds
Wir können eindeutig sagen, dass diese „moderne Sicht“ einseitig ist. Das Herz sendet laufend Impulse zum Hirn und hat damit entscheidenden Einfluss auf die höheren Hirnzentren hinsichtlich der Art der Wahrnehmung. Es ist vor allem an der Verarbeitung von Gefühlen beteiligt. Letztlich handelt es sich in dieser Beziehung um ein komplexes psychoneurologisches Kommunikationsnetzwerk. Damit verbindet sich das Herz mit dem gesamten Körper. Das Herz ist aktiv, indem es ein eigenes elektromagnetisches Feld aufbaut. Es ist das stärkste des ganzen Körpers. Um die Relation zu nennen, es ist etwa 60x stärker als das Feld des Gehirns. Die magnetische Komponente dieses Feldes ist sogar 500x stärker. Dieses elektromagnetische Feld durchdringt alle Zellen des Körpers und ist noch in einigen Metern Entfernung wahrnehmbar. Bei den Walen ist dieses noch wesentlich stärker ausgeprägt und daher noch leichter messbar. Es kann auch eindeutig nachgewiesen werden, wie sich die rhythmische Aktivität des Gehirns an den Herzrhythmus anpasst.

J. F. H.
Was können wir bezüglich der menschlichen Gefühlswelt von diesen Untersuchungen lernen?

Reynolds
Das ist auf den ersten Blick keine leichte Frage. Aber wir können deutlich den Zusammenhang von Gefühlen mit körperlichen Zuständen feststellen. Das haben Säugetiere mit Menschen gemeinsam. Wenn wir uns in einem Zustand völliger Entspannung befinden, oder uns geliebt, anerkannt und wertgeschätzt fühlen, schwingen sich der Atemrhythmus, der Blutdruck und andere Vorgänge auf die Frequenz des Herzens ein. Wir gehen davon aus, dass vom „Herzfeld“ gewissermaßen eine Trägererschwingung ausgeht, eine Information, die sich auf den ganzen Körper auswirkt. Diese vom Herzen ausgehenden Wellen synchronisieren die Organfunktionen und treten in Wechselwirkung mit dem gesamten Körper. Dieser innere Dialog erfasst aber auch die Eigenschaften und Zustände der inneren Organe und verteilt diese neuen Informationen wiederum im Körper. „In-Formation“ können wir in buchstäblichem Sinne als Prozess des „In-Form-Bringens“ verstehen.

J. F. H.
Wie verhält es sich bei negativen Gefühlen wie Frust, Ärger oder gar Wut?

Reynolds
Wir können dann unregelmäßige, sprunghafte Energiemuster feststellen. Wir konnten früher mit telemetrischen Systemen und heute mit der Spektralanalyse feststellen, wie sich das Magnetfeld des Herzens verändert. Anhaltende positive Gefühlszustände erzeugen eine so genannte psycho-physische Kohärenz, die fast ein ideales Sinusbild ergibt. Das hat zur Folge, dass sich die Organfunktionen in Harmonie und einer gesteigerten Leistungsfähigkeit befinden. Der innere Dialog der Funktionen und Organe führt auch zu emotionaler Ausgeglichenheit und Klarheit, der gesteigerte intuitive Intelligenz, besseres Urteilsvermögen und geistige Leistungsfähigkeit zur Folge haben kann.

J. F. H.
Eine solche Haltung könnte doch einen entscheidenden Einfluss auf die soziale Wirkung eines Menschen, auf das Verhalten in Gruppen und die Beziehungsfähigkeit haben?

Reynolds
Unbedingt. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass soziale Kommunikation ausschließlich über Mimik, Gestik, Sprache, Körperausdruck und Tonfall läuft. Wir können davon ausgehen, dass ein unterbewusstes vom Herzen gesteuertes elektromagnetisches Feld auf äußerst subtiler, aber vielleicht sogar umso wirkungsvollere Art unsere Kommunikation beeinflusst. Wir „fühlen“ gewissermaßen mit dem Herzen, ob wir von anderen Menschen angezogen oder abgestoßen werden. Das können wir auch auf Gruppen übertragen. So können sich die Gehirnwellen einer Person auf den Herzrhythmus einer anderen Person einstellen. Wenn sich Menschen im Zustand der eben geschilderten psycho-physischen Kohärenz befinden, sind sie in der Lage, die „Herzensfelder“ ihrer Mitmenschen zu erspüren. Sie entwickeln gewissermaßen eine „Antenne“ für die Gefühle anderer. Und diese Verbindung geschieht auf einer tieferen Ebene als es die sprachliche erlaubt.

J. F. H.
Rupert Sheldrake hat darauf verwiesen, dass diese Verbindung sogar zwischen Menschen und Tieren existieren kann.

Reynolds
Wir haben ja in unseren Walforschungen nachgewiesen, wie enorm weit reichend diese Verbindungen zwischen den Tieren sind. Aber es gibt auch Hinweise für die von Ihnen genannten Informations- und Emotionsfelder zwischen den Arten.

J. F. H.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Felder in besonderer Weise auch das Beziehungsfeld zwischen Eltern und Kind beeinflussen können.

Reynolds
Es gibt eine Reihe von Forschungen, die genau diesen Zusammenhang belegen, der entscheidend ist für die Bewusstseinsentwicklung, für die Emotionalität und einer gesunden und harmonischen Herausbildung der Ich-Du-Beziehung. Vor allem die enge Mutter-Kind-Beziehung ist außerordentlich entwicklungsfördernd, wenn sie von Liebe, Freude, Anerkennungs- und Glücksgefühlen getragen wird.

J. F. H.
Die Weltbild prägende Schule des amerikanischen Behaviarismus ging davon aus, dass ein Kind nicht im harten Leben zurechtkommen würde, wenn es geküsst, beschmust und auf den Arm genommen wird. Eine Art „tough love“ wurde empfohlen.

Reynolds
Das widerspricht völlig der modernen Bindungsforschung. Gerade die Muster in Feldern, die in einer Beziehung entstehen, sind reziprok. Das heißt, wenn ich ein psychisch und physisch gesundes Kind haben möchte, dann muss die Beziehung von positiven Gefühlen getragen werden, denn Sie prägen sich ein und wirken das ganze Leben hindurch.

J. F. H.
Wir wirken diese Erkenntnisse in sozialen Systemen? Inwiefern haben diese Ebenen einen Einfluss auf Gruppenprozesse?

Reynolds
Wir können sagen, dass ein Netz positiver Emotionen ein Energiefeld erzeugt, das eine Kohärenz zur Folge haben kann. Vielleicht kann man sogar schließen, dass jedes Mitglied einer solchen Gruppe mit seinen Emotionen auch in der Lage ist, die Kohärenz der Beziehungen untereinander zu steigern.

Dieses Interview habe ich vor längerem auf der Seite der Volkshochschule Osnabrück gefunden. Zum heutigen Zeitpunkt ist es dort nicht mehr aufgeschaltet.